Seit 2015 haben in Österreich rund 150.000 minderjährige Migrant:innen Asyl beantragt. Durch den Familiennachzug steigen die Zahlen aktuell wieder. Wer wirklich ankommen will, braucht einen Schulabschluss. Doch das System ist überlastet und der Weg zum Abschluss voller Hürden.
Von Hanna Alandt
Unterschiedliche Voraussetzungen
In Österreich gilt für alle Kinder ab dem sechsten Lebensjahr die Schulpflicht – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. In der Realität ist das jedoch nicht für alle so einfach umsetzbar. Die Kinder kommen mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen an. Je nach Herkunftsland besitzen sie mehr oder weniger Vorkenntnisse. Und nicht alle finden direkt einen Schulplatz. Gerade in Ballungsräumen wie Wien, Linz oder Graz dauert die Suche meist viele Wochen.
Die Grundlage bildet die Sprache

In Förderklassen lernen Migrant:innen Deutsch. Quelle: Max Fischer (pexels.com)
Für die Kinder und Jugendlichen, die keine ausreichenden Sprachkenntnisse besitzen, sind seit 2018 zunächst sogenannte Deutschförderklassen vorgesehen. Hier werden sie bis zu zwei Jahre lang 15 bis 20 Stunden pro Woche unterrichtet. Zusätzlich besuchen sie Regelschulklassen in Fächern wie Werken oder Turnen.
„Am Anfang habe ich überhaupt nichts verstanden. Die Kinder aus der Regelschule haben mich kaum beachtet und ich habe mich nicht getraut mit ihnen zu reden.“ Merjem ist 22 und kam 2018 mit ihrer Familie aus Syrien nach Österreich. Heute macht sie eine Ausbildung. Auch sie besuchte einen der Deutschförderkurse. Sie berichtet, dass sich die Schüler:innen in den Kursen oft von den anderen Kindern abgeschottet fühlen.
Kritik am System der Trennung
Die Deutschförderklassen stehen deshalb in der Kritik. Untersuchungen der Universität Wien zeigen, dass die Trennung bei vielen zu Gefühlen der Ausgrenzung führt: Weil sie den Großteil des Tages nicht im Regelunterricht verbringen, wird die soziale Integration erschwert. Trotzdem schätzt Merjem die intensive Sprachförderung: „Mein Deutsch ist viel besser geworden – aber ich hätte mir gewünscht, dass wir früher mit allen zusammen lernen.“
Pflichtschulabschluss als Schlüssel
Je älter die Jugendlichen sind, desto schwieriger ist es für sie, in das Regelschulsystem einzusteigen. Viele haben Lücken im Schulstoff oder traumatische Erfahrungen gemacht. Für sie braucht es andere Lösungen. Für Schüler:innen ab 15 Jahren stellt der Pflichtschulabschluss oft den Schlüssel zur Integration dar. Er ist in Österreich Voraussetzung für den Einstieg in eine Lehre, weiterführende Schulen oder den Arbeitsmarkt. Ältere Jugendliche erhalten hier eine Perspektive; auch, wenn sie kaum Vorerfahrungen mitbringen.
Unterstützung durch Jugendcoaching
Damit sich Neuankömmlinge im österreichischen Schulsystem besser zurechtfinden, gibt es das Jugendcoaching. „Wenn ich nicht weiß, wie es für mich weitergeht, frage ich meine Betreuerin. Ohne sie hätte ich schon aufgegeben.“, sagt Imad. Der 18-Jährige kam vor zwei Jahren aus Syrien nach Wien und holt im Juni seinen Pflichtschulabschluss nach.
Dieses kostenlose Programm können Jugendliche von der neunten Schulstufe bis zum 19. Geburtstag in Anspruch nehmen. Ihnen werden persönliche Berater:innen langfristig an die Seite gestellt. Sie helfen bei Bewerbungen, zeigen Perspektiven auf und sollen Schulabbrüche verhindern. Die Coachings werden unter anderem von WUK, einem Kulturverein im neunten Bezirk in Wien, angeboten und durchs Sozialministeriumservice finanziert.
Am Ende zählt das Ziel – nicht der Umweg
Die Schule ist für viele junge Migrant:innen mehr als nur ein Ort der Bildung. Sie bedeutet Struktur, Zugehörigkeit und oft die erste stabile Alltagserfahrung im neuen Land. Hier entstehen Freundschaften, Routinen und Perspektiven.
„Ich möchte Operationstechnischer Assistent werden, eine Ausbildung machen“, sagt Imad. „Früher hätte ich nie gedacht, dass ich das schaffen kann. Aber jetzt weiß ich: Es ist möglich.“