Namen machen Leute – Wenn Integration zur Identitätsfrage wird

Für viele ist der Name ein Teil der Identifikation, für manche ist er ein Hindernis. Zwei Geschichten zeigen, was das bedeutet: Ein Afghane wird zu David Müller, eine Kroatin erhält einen Spitznamen, den sie nie wollte. Menschen mit Migrationshintergrund erleben oft gesellschaftlichen Druck zur Integration, dabei wünschen sie sich nichts sehnlicher, als dazuzugehören – doch wie kann das Gelingen, ohne sich selbst zu verlieren?

von Miriam Egger

Akzeptanz und Selbstbestimmung

David Müller hat seinen Namen vor einem halben Jahr offiziell geändert. Er ist 34 Jahre alt und vor zehn Jahren aus Afghanistan nach Österreich geflohen, weil er Christ ist. Seit neun Jahren lebt er in Kufstein. Müller geht fast jeden Sonntag in die Kirche und ist ein fester Bestandteil der Gemeinschaft.

David Müller im Kaisergebirge / David Müller

Seit November letzten Jahres ist er österreichischer Staatsbürger – und heißt nun offiziell David Müller.

„Ich hatte einen muslimischen Namen, aber ich bin kein Moslem mehr.“ Die Entscheidung traf er selbst – als Teil seines neuen Lebens in Österreich. In seiner Freizeit geht er wandern oder skifahren. Aktuell macht er eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Auch seine Liebe zum Schauspielern im Kufsteiner Theater Arche hat er entdeckt.

Namensänderung in Österreich

Eine Namensänderung in Österreich ist möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Der Antrag wird von der zuständigen Behörde geprüft, dabei werden der Grund und der gewünschte Name bewertet.

Ist die Begründung gesetzlich anerkannt, bleiben die Kosten gering. Dazu zählen etwa lächerliche, anstößige oder schwer aussprechbare Namen sowie Änderungen, die der Integration dienen, zum Beispiel nach dem Erwerb der Staatsbürgerschaft. Knapp 1300 Anträge auf Namensänderung gibt es allein in Wien.

Nur bei freiwilligen Namensänderungen ohne rechtlichen Grund fallen höhere Gebühren an, die bis zu 600 Euro betragen können. David Müller stellte seinen Antrag nach dem Erwerb der Staatsbürgerschaft. Er zahlte 14,90 für den Antrag plus 3,90 für die Beilage der entsprechenden Urkunden.

Verlust der eigenen Identität

Im Gegensatz zu David Müller hatte Zorica Käfer bei ihrer Umbenennung nur wenig Mitspracherecht. Die gebürtige Kroatin ist 69 Jahre alt und lebt seit 55 Jahren in Kufstein. Ihr erster Chef sagte zu ihr: „Ich sagen Susi, du laufen.“

Diesen Namen bekam sie, ohne es zu wollen. Viele nannten sie jahrelang „Susi“. Heute sagt sie, sie hätte sich stärker für ihren richtigen Namen einsetzen sollen: „Ich habe einen schönen Namen. Wenn jemand ihn nicht aussprechen kann, soll er mich lieber fragen, anstatt ihn zu verunstalten.“

In Österreich lernte Käfer ihren Mann kennen und nahm seinen Nachnamen an. Heute lebt Zorica mit ihm im eigenen Haus im Bezirk Kufstein. Inzwischen ist sie in Pension und widmet sich mit Leidenschaft ihrem Garten. Sie stellt Öle, Salze und Marmeladen selbst her – auf den Etiketten steht: Zorica Käfer.

Zorica Käfer im Garten / Richard Käfer

Akzeptanz und Vielfalt

Meral Sevencan ist Integrationsbeauftragte der Stadt Kufstein – ein Amt, das sie seit 2015 innehat. Sie berichtet von den Hürden, mit denen viele Migrant:innen aufgrund ihrer Identität und Herkunft konfrontiert sind – im Alltag, in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt.

Meral Sevencan beim Lese-Flashmob in Kufstein / Meral Sevencan

„Mit einem landesüblichen Namen funktioniert vieles leichter“, sagt sie. „Aber moralisch und ethisch betrachtet sollte das nicht so sein.“ Zu dem Angebot des österreichischen Staates sagt sie: „Man muss normalisieren, dass auch Menschen mit anderen Namen Jobs und Wohnungen brauchen – nicht den Namenswechsel normalisieren.“

„Miteinander in Vielfalt leben“

Viele Städte in Österreich haben ein eigenes Integrationskonzept. Es enthält Ziele und Empfehlungen zur Förderung von Vielfalt und Zusammenleben. Diese Konzepte sind auf die jeweilige Stadt oder das Bundesland zugeschnitten. Das Integrationskonzept der Stadt Kufstein, von Meral Sevencan gestaltet, trägt den Titel „Miteinander in Vielfalt leben.

Ein wichtiger Punkt darin ist der richtige Umgang mit unterschiedlichen Identitäten. Das Konzept warnt davor: „Die vereinfachende Reduktion Einzelner auf nur eine Identität führen zu Polarisierungen in unserer Gesellschaft.“. Auch Käfer betont: „Wir müssen uns anpassen, aber nicht unsere Identität leugnen.“ Sie wünscht sich, dass jeder Mensch als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft angesehen wird.

 „Integration ist ein facettenreicher und langfristiger Prozess, der nicht von heute auf morgen und auch nicht alleine passieren kann.“ betont Sevencan. Auch David Müller sieht das so: „Für mich bedeutet Integration, aufeinander zugehen und aufeinander eingehen.“

In einer letzten Sache waren sich alle einig: Österreich ist ihre Heimat – und auf ihren Namen sind sie stolz.