Rollstuhlrampen, Ampeln mit Blindensignal und Aufzüge – auf diese Dinge kommen wohl viele Menschen, wenn sie über Barrierefreiheit nachdenken. Der digitale Raum, ein immer größerer Teil unseres Lebens, kommt in diesen Überlegungen oft zu kurz.
Jänner 2025. Ein Mann wird von zwei Polizisten aus einem Zug der Deutschen Bahn gezerrt. Sie heben ihn aus dem Rollstuhl und bringen ihn auf den Bahnsteig. Weil sein Rollstuhl zu viel Platz einnimmt und Personen auf dem vorgesehenen Stellplatz sitzen, muss er aussteigen. Inklusionsaktivisten, wie Ilias Emmanuil, machen auf fehlende Barrierefreiheit aufmerksam. Digitale Räume bleiben oft unsichtbar.
Gesetzliche Standards existieren für öffentliche Webseiten, in den Medien sind aber noch selten. Besonders beim österreichische Qualitätsjournalismus gibt es in Sachen Inklusion noch Verbesserungsbedarf. Von den großen Mainstreammedien bietet einzig der ORF aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtungen im ORF-Gesetz ein online Nachrichtenangebot in einfacher Sprache an.
Andererseits – Journalismus anders gedacht

Ein Projekt, dass digitaler Barrierefreiheit Aufmerksamkeit schenkt, ist das österreichische Magazin und Medienprojekt andererseits. Seit seiner Gründung im Jahr 2020 hat es sich von einem ehrenamtlichen Projekt zu einer professionellen Redaktion mit 30 Mitarbeitenden entwickelt. Abgesehen von ihrem Printprodukt, das sechsmal im Jahr erscheint, fokussiert sich das Team auf Digitaljournalismus
Eine Dokumentation zum Beispiel über die Flut im Ahrtal, bei der 12 BewohnerInnen eines Heims für Menschen mit Behinderungen gestorben sind. Das Redaktionsteam besteht aus Menschen mit und ohne Behinderung, die gemeinsam inklusiv journalistisch arbeiten. Ein Teil dieser Arbeit ist die inklusive Gestaltung des Internetauftritts, bei der die WCAG-Richtlinien einen wichtigen Grundstein darstellen.
Von wahrnehmbar bis verständlich
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG),die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte, sind ein internationaler Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten. In der EU gilt er für neue und bestehende Websites öffentlicher Stellen inklusive Apps seit Juni 2021. Die gerade aktuelle WCAG 2.2 baut sich aus vier Prinzipien auf:
Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Diese sollen möglichst allen BenutzerInnen eine barrierefreie Erfahrung garantieren. Im Punkt Wahrnehmbarkeit wird zum Beispiel vorgeschlagen, dass Textalternativen für alle Textinhalte zur Verfügung gestellt werden. User können so die Schrift mit den benötigten Formen, etwa Braille oder einfacher Sprache, austauschen.
Das Prinzip Bedienbarkeit schreibt zum Beispiel vor, dass alle Inhalte von Webseiten unter Verwendung der Tastatur abrufbar sein müssen. Die Tastenkombinationen dürfen weiters von keinem spezifischen Timing abhängig sein, damit es einigen Nutzern nicht zu schnell geht.
„Es hilft allen, ist aber für einige notwendig“
Die gesetzlichen Standards sind ein wichtiger Schritt in der Gleichberechtigung, dennoch reichen sie nicht aus, sagt Lukas Burnar, einer der beiden Geschäftsführer:innen von andererseits. Er sieht die gesetzlichen Vorgaben als Basis, auf die man zusätzlich mit Usererfahrungen aufbauen müsse. Eines der wichtigsten Prinzipien ist dabei das der zwei Sinne: „Jeder unserer Inhalte ist auf mehr als eine Art verständlich. Ich kann mir entweder vorlesen lassen, ich kann es durchlesen, ich habe Open Captions bei einem Video oder Audiobeschreibung bei einem Bild. Es hilft allen, ist aber für einige notwendig“, sagt Burnar.