Immer mehr junge Menschen legen sich freiwillig unters Messer. Doch was, wenn das neue Gesicht das alte Problem nicht löst? Eine Betroffene und ein plastischer Chirurg berichten über falsche Erwartungen, Social-Media-Druck und psychische Nebenwirkungen.
von David Haslinger
Brustvergrößerung, Nasen-OP, Fettabsaugung: nimmt nicht ab. Vor allem junge Menschen scheuen immer seltener davor zurück, sich unters Messer zu legen. Lisa B (ihren kompletten Namen möchte sie nicht veröffentlicht wissen), ist eine von ihnen. Heute ist Lisa 27 Jahre alt, doch sie störte sich schon seit ihrer Jugend an einem kleinen Höcker auf der Nase. Sie arbeitet im Marketing, kennt sich mit Selbstdarstellung also gut aus. Trotzdem war es ihr eigenes Spiegelbild, das sie jahrelang beschäftigte.
„Ich habe den Höcker auf jedem Bild gesehen, er hat mich immer gestört“, erzählt sie. Nach langem Überlegen ließ sie ihn sich mit 24 chirurgisch entfernen. Das Ergebnis? „Ich finde mein Profil schöner. Ichsehe mich lieber im Spiegel an. Doch dieses neue Lebensgefühl, das ich erwartet hatte – das kam irgendwie nicht.“
Kurz darauf folgte ein zweiter Eingriff: das Buccal Fat Removal (siehe Infobox) bei dem Wangenfett für markantere Gesichtszüge entfernt wird. „Ich weiß gar nicht, ob ich’s gemacht hätte, wenn ich es nicht überall auf Insta und TikTok gesehen hätte.“ Als die Schwellung abgeklungen war, kam der Schock: „Mein Gesicht war so eingefallen – viel schmaler als ich wollte. Es hat mich älter gemacht.“
Heute, drei Jahre später, sagt sie: „Ich glaube, man sollte sich ehrlich fragen: Will ich das für mich – oder weil ich denke, dass ich dann besser dastehe vor anderen?“
Info-Box: Was ist Buccal Fat Removal?
• Entfernt Fett zwischen Wangenknochen und Kiefer
• Ziel: markante, konturierte Gesichtsform
• Effekt verstärkt sich mit dem Alter – irreversibel
• Besonders durch Hollywood-Stars und TikTok im Trend

Die eigene Körperwahrnehmung und das Spiegelbild passen nicht mehr zusammen. © Larysa Amosova / Getty Images Plus
Studien der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Basel zeigen: Viele Patient:innen empfinden nach Schönheitsoperationen mehr Lebensfreude und Selbstwertgefühl. Gleichzeitig gaben 12 Prozent an, sich durch den Eingriff „wie ein neuer Mensch“ fühlen zu wollen. Solche überzogenen Erwartungen können Enttäuschungen auslösen – und belasten die Psyche zusätzlich.
Auch hat sich Der Anteil der unter 30-Jährigen, die durch Social Media zu einer Schönheitsoperation motiviert wurden, innerhalb nur eines Jahres von neun Prozent (2021) auf 20,9 Prozent (2022) mehr als verdoppelt, schreibt die schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. Problematisch dabei: Die Vorbilder sind oft stark bearbeitet – und fördern unrealistische Ideale. Laut Saferinternet.at vergleichen sich 71 Prozent der Jugendlichen regelmäßig mit anderen auf Instagram und TikTok, und 28 Prozent haben bereits über eine Schönheits-OP nachgedacht.
Dies kann letztendlich zu einer sogenannten Körperdysmorphie (siehe Infobox) führen, welche Betroffene in ihrem Selbstwertgefühl und auch in ihrem Alltag stark einschränkt.
Info-Box: Was ist Körperdysmorphie?
• Psychische Störung mit verzerrter Selbstwahrnehmung
• Betroffene empfinden Makel, die objektiv kaum vorhanden sind
• Folgen: Rückzug, Zwangsverhalten, Depressionen
• Behandlung: Psychotherapie und Aufklärung
Medizinische Verantwortung vor Patient:innenwunsch
Josef Haslinger, plastischer Chirurg in Linz, erlebt das regelmäßig. „Wenn sich jemand immer wieder operieren lassen will, sage ich ihnen, dass es jetzt genug ist. Die meisten akzeptieren das – oder gehen zu einem anderen.“ Der wirtschaftliche Druck sei nicht zu unterschätzen: „Man muss aufpassen, dass man nicht in das ‚Wenn ich es nicht mache, macht es wer anderer‘ – Schema fällt. Ich bin Gott sei Dank nicht darauf angewiesen – aber für jüngere Kollegen ist das sicher ein Thema.“
Besonders problematisch sei es, wenn der Wunsch nach Veränderung nicht von den Patient:innen selbst komme. „Wenn der Partner sagt: ‚Das geht noch größer‘, ist das ein Alarmzeichen.“ Auch Gesprächstherapien seien nicht immer hilfreich: „Es braucht nur einer sagen: ‚Du hast aber schon einen Höcker‘ – und das ganze Gerüst fällt zusammen.“

Der Wunsch nach Veränderung bringt viele unter das Skalpell. © sasint / Pixabay
Ab wann sind Schönheitsoperationen erlaubt?
In Österreich dürfen kosmetische Eingriffe grundsätzlich erst ab 18 Jahren ohne Zustimmung durchgeführt werden. Für Minderjährige ist die Einwilligung der Eltern gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich schreibt das Ästhetik-Operationsgesetz vor, dass Ärzt:innen vor jedem Eingriff ein ausführliches Beratungsgespräch führen müssen – inklusive Aufklärung über Risiken, Alternativen und psychische Aspekte. Eine verpflichtende Bedenkzeit von mindestens zwei Wochen ist ebenfalls vorgeschrieben.
Die Grenze des Skalpells
Schönheitsoperationen können das äußere Erscheinungsbild verändern – aber sie lösen keine inneren Konflikte. Der wachsende Druck durch Social Media begünstigt schnelle Entscheidungen, ohne die psychischen Folgen zu bedenken.
Ein realistischer Blick, ein stabiles Selbstbild und eine ehrliche Beratung – sind entscheidend. Denn Selbstakzeptanz beginnt nicht im Spiegel, sondern im Kopf.