Atheistinnen und Atheisten sind in Österreich wenig präsent. Ein kleiner Teil von ihnen will das ändern und hat sich zusammengeschlossen. Wieso ein atheistischer Verein eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft werden will und warum es bei seiner Arbeit manchmal um Leben und Tod geht.

Credits: Pexels.com RDNE Stock project
„Im Iran droht Ihnen der Tod am Galgen und das wollen wir nicht.“ Mit diesem Satz begründete ein Richter letztes Jahr am Bundesverwaltungsgericht Wien den positiven Asylbescheid für einen Iraner. Es war ein seltener Grund, für den der Iraner Asyl bekam: Er ist Atheist und deshalb im Iran nicht mehr sicher.
Wilfried Apfalter kann sich noch genau an den Moment im Gerichtssaal erinnern. Er hat den Iraner bei dessen Asylverfahren begleitet. Nicht juristisch als Rechtsanwalt, sondern mental – als Unterstützer. Der Iraner ist einer von 70 Asylwerberinnen und Asylwerbern, die Apfalter beziehungsweise sein Verein schon unterstützt hat. Der gemeinsame Nenner: eine atheistische Weltanschauung. Der Verein, die „Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich“ (ARG), ist die größte organisierte Atheistenvereinigung hierzulande. Wie bei dem Iraner helfen die Mitglieder geflüchteten Atheistinnen und Atheisten unter anderem, indem sie zu gerichtlichen Terminen mitgehen oder die atheistische Weltanschauung der Flüchtlinge vor Gericht bezeugen. Seit der Gründung 2007 von Apfalter ist die Zahl der Mitglieder laut ihm auf über 400 gewachsen. Mit Kundgebungen auf der Mariahilfer Straße in Wien versucht die ARG, mehr Leute zu erreichen. Das Engagement auf der Straße beschränkte sich bisher auf das Ansprechen von Passantinnen und Passanten, Demonstrationszüge habe man noch nicht organisiert. Der Verein finanziert sich durch Spenden. Mit dem Geld wird beispielsweise die Website betrieben oder Kundgebungsausrüstung bezahlt.
Bis zur letzten Instanz
Neben dem Bestreben, bekannter zu werden, hat die ARG seit Jahren ein anderes Hauptthema. Wie andere Glaubensgemeinschaften auch, will sie eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft werden und nicht nur ein Verein sein. 2019 hat die ARG den Antrag für diesen Status eingebracht. Für diese Entscheidung ist in Österreich das Kultusamt zuständig, das im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Der Antrag wurde fast ein Jahr später abgelehnt. Das wollten die organisierten Atheistinnen und Atheisten nicht akzeptieren und wandten sich an die nächste Instanz. Nachdem das Verwaltungsgericht Wien der Entscheidung zustimmte, war die nächste Station der Verwaltungsgerichtshof. Im Frühjahr 2025 war der Rechtsweg in Österreich für die ARG schließlich endgültig an ein Ende gelangt. Auch das zuständige Höchstgericht (der VwGH) entschied nicht so, wie es sich die Atheistinnen und Atheisten erhofft hatten. Es habe bei allen Instanzen erhebliche Verfahrensmängel gegeben, beklagt sich Apfalter im Nachhinein.
Ein Mitarbeiter des Kultusamts sieht das anders. „So ein Verfahren ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine Prüfung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen“, erklärt er. Dazu zählen unter anderem eine religiöse Lehre und eine gemeinschaftliche religiöse Praxis. Der Beamte sieht die Entscheidung des Kultusamts durch die Urteile der Gerichte bestätigt.
Atheismus und Religion – ein Widerspruch?
Doch warum will eine atheistische Organisation eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft werden? Für die ARG schließt sich Atheismus und Religion nicht gegenseitig aus, da Religion nicht automatisch bedeute, an einen Gott zu glauben. Die ARG will, wie klassische Religionen auch, für Menschen eine Hilfe im Leben darstellen. Das sei nur mit einer „vollen Gleichberechtigung mit anderen Religionsgemeinschaften“ möglich. Denn dann könnten die organisierten Atheistinnen und Atheisten eine Seelsorge ohne Gottesbezug anbieten, was ihr aktueller Plan ist. Aktuell hat die ARG die Möglichkeit, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen oder einen erneuten Antrag beim Kultusamt zu stellen.
„Wir meinen das wirklich ernst, wir wollen als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt werden“. – Wilfried Apfalter, Gründer der ARG
Egal, welchen Weg die ARG wählen wird, die Vergangenheit hat gezeigt, dass die organisierten Atheistinnen und Atheisten Geduld brauchen werden. Im Vergleich zu anderen atheistischen Personen auf der Welt kann man das wohl als Luxusproblem bezeichnen. In Österreich droht niemandem aufgrund seiner Weltanschauung der Tod am Galgen.