Die Olympischen Winterspiele kommen nach Italien. In Südtirol blickt man dem Großereignis mit einer Mischung aus Euphorie und dunkler Vorahnung entgegen.
Die Begeisterung war groß, als die Entscheidung für die Winterspiele 2026 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) 2019 auf Mailand-Cortina fiel. Der olympische Traum in den eigenen Tälern, die Aufmerksamkeit der Welt auf einer 500.000–Einwohner–Provinz – in Südtirol, Schauplatz der Biathlonwettkämpfe, herrschte Euphorie.
Doch die olympischen Spiele, zumindest die Art der Austragung, stehen seit Jahren unter Kritik. Vor allem wegen Millionenausgaben und Umweltbelastungen. Spätestens seit Beginn der Bauarbeiten für das Event, hat sich deshalb auch in Südtirol Unmut breitgemacht.
Wo bleibt die Nachhaltigkeit?
2019 setzte sich die Olympia-Bewerbung von Italien unter anderem aufgrund der größeren Nachhaltigkeitsbemühungen gegen die von Schweden durch. Doch von Nachhaltigkeit, so Georg Simeoni, Präsident des Südtiroler Alpenvereins AVS, könne man hier kaum sprechen. Simeoni ist ein lauter Kritiker der Spiele. Er klagt, dass Einwände von Bürger*innen und Umweltverbänden „unter dem Vorwand der Dringlichkeit“ umgangen wurden.
„Es gibt Regeln und Vorschriften, nur schert sich niemand darum. Mit Nachhaltigkeit hat das gar nichts mehr zu tun.“
.
Auch die finanzielle Nachhaltigkeit der Veranstaltungen ist diskutabel. Die olympischen Spiele sind nun einmal ein Großevent und große Events kosten – im Fall von Mailand-Cortina bereits über drei Milliarden Euro. Vermarktet werden die Bauvorhaben als Investition für die Zukunft. „Von den positiven Seiten haben wir bis jetzt noch nichts erfahren. Außer, dass gewisse Firmen dort (Anm.: bei Olympia) arbeiten werden und, dass im Gastgewerbe irgendwas sein könnte.“, sagt Georg Simeoni. Er glaube nicht, dass die Südtiroler Wirtschaft sehr daran wertschöpfen werde.
Ein Blick auf die olympischen Winterspiele 2006, die ebenfalls in Italien, damals in Turin, ausgetragen wurden, bestätigt die Sorgen des Umweltschützers. 31 Millionen Euro Defizit war hier die Bilanz. Was blieb, waren Schulden, für Italien nichts Neues. Es ist der nach Griechenland am höchsten verschuldete Staat in Europa. Auch leerstehende, unbenutzte Sportarenen sind Zeugnis von Turin 2006, wie sie an so vielen ehemaligen Olympia-Austragungsorten zu finden sind. Zu riesig sind die einmalig genutzten Anlagen, zu teuer das Betreiben. Weiße Elefanten werden diese Ruinen genannt, die im Grunde dem Verfall überlassen werden.

Antholz als Ausnahme
In Südtirol soll das allerdings anders ausgehen, ist Thomas Schuster überzeugt. Schuster ist der langjährige Bürgermeister der Gemeinde Rasen-Antholz, in der 2026 die Biathlondisziplin ausgetragen wird.
Für Olympia wird hier ein neues Stadion gebaut, auch wenn das alte Gebäude, Kritikern zufolge, wettkampftauglich gewesen wäre. Antholz ist seit Jahren Schauplatz von großen Biathlonwettkämpfen, bereits sechs Weltmeisterschaften hat das Dorf miterlebt.
„Olympia ist jetzt eine Art Krönung für uns“, meint Thomas Schuster. Für diese Krönung sei der Neubau des Biathlonzentrum notwendig und der Größe des Wettkampfes entsprechend. Die Angst, dass die Sportstätte sich in eine lange Reihe weißer Elefanten einreihen wird, versteht er, findet die Sorge aber unberechtigt. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den Negativbeispielen des olympischen Baubooms: Der Tourismus und der Wintersport haben hier Tradition, und werden nach Olympia nicht abrupt abbrechen.
„Man kann es mit einem Eisberg vergleichen. Unten braucht es eine Basis des Tourismus, als Fundament und Stütze. Und oben gibt es einen kleinen Teil, der viel Sichtbarkeit hat – in diesem Fall Biathlon.“
Durch Südtirols Tourismus sollen die negativen ökonomischen Auswirkungen der Winterspiele also gedämpft, wenn nicht verhindert werden. Ob das reicht, wird wohl erst in den kommenden Jahren beantwortet werden.
Umweltschützer wie Georg Simeoni halten solche sportlichen Großveranstaltungen für überholt. Doch diese Bedenken mindern die Vorfreude von Tourismus, Wirtschaft und Sportbegeisterten nicht. Und so wird im Februar nächsten Jahres ein Hoch auf das olympische Südtirol erklingen.