Alle Menschen haben ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Doch für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen ist die Umsetzung oft schwer möglich. Sexualbegleitung kann helfen.
Haben deine Großeltern Sex? Dürfen die das überhaupt noch? Die Oma schluckt doch diese Bluthochdrucksenker. Und der Opa, kann der noch? Sexualität im Alter ist ein Tabuthema. Menschen, die Sex haben, sind jung, dünn, attraktiv, zumindest laut Medien und Popkultur. Wir sehen kaum sexuell aktive Menschen, die alt oder dick sind oder eine Behinderung haben. Die meisten von uns haben sexuelle Bedürfnisse, und doch sprechen wir dem Großteil der Gesellschaft dieses Verlangen ab.
Intimität muss inklusiv sein
Ältere Menschen haben oft eingeschränkte Möglichkeiten, ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auszuleben: Zweibettzimmer in Altersheimen oder geschlechtergetrennte Stockwerke. In Pflegeheimen fehlt der Platz für Sexualität, und das kann spürbare Folgen haben. Isabella Hafele, Mitarbeiterin bei iBUS, einer Beratungsstelle für Sexarbeitende in Innsbruck, erzählt, dass es immer wieder zu sexuellen Übergriffen auf Pflegepersonal kommt. Die BGW untersuchte in einer Studie, wie viele Pflegende in den letzten 12 Monaten von verbaler oder nonverbaler Belästigung betroffen waren. Das Ergebnis zeigt: 48,9% der 900 Teilnehmenden erlebten „körperliche sexuelle Belästigung und Gewalt durch von ihnen gepflegte oder betreute Personen“.
Auch Menschen mit Behinderung brauchen häufig Unterstützung beim Thema Sexualität. „Personen mit Behinderung können Schwierigkeiten in der Nähe- und Distanz-Einschätzung haben sowie die eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse im Gegenüber wahrzunehmen“, sagt Corina Sauermoser, Sexualtherapeutin. Vereinzelte Angebote gibt es schon. Der Verein Liselu bietet sexualpädagogische Workshops für Menschen mit Behinderung an. Hier lernen die Teilnehmenden zum Beispiel, wie sie flirten könnten.
In der Steiermark befindet sich das „Haus Theresienfeld“. Es ist das erste barrierefreie Bordell in Österreich. Alle Räumlichkeiten sind dort baulich so gestaltet, dass sie für Rollstuhlfahrer*innen zugänglich sind. Auch das ist ein wichtiger Schritt in Richtung sexuelle Selbstbestimmung, denn für viele Menschen mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen ist ein Bordellbesuch nicht möglich.

Was ist Sexualbegleitung?
Einen alternativen Zugang zu selbstbestimmter Sexualität bietet die Sexualbegleitung. „Bei Sexualassistenz oder Sexualbegleitung handelt es sich um sexuelle Dienstleistungen für Menschen, die aufgrund körperlicher, geistiger oder sozialer Einschränkungen Schwierigkeiten haben, ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse eigenständig zu verwirklichen“, schreibt das Beratungszentrum für Sexarbeiterinnen „Sophie“ auf ihrer Website.
Im iBUS-Sexarbeit-Podcast berichtet die Sexualbegleiterin Angie, dass sie meist von Angehörigen kontaktiert wird. Im Vorgespräch wird erklärt, welche sexuellen Dienstleistungen gewünscht wären, und es erfolgt ein Kennenlernen. Ihre Klient*innen haben verschiedene Wünsche – von reden und kuscheln über gemeinsam duschen bis hin zu penetrativem Sex. Angie arbeitet häufig direkt in den Pflegeheimen oder macht Hausbesuche. Sie erzählt, dass sexuelle Übergriffe auf das Pflegepersonal durch ihre Arbeit oft zurückgehen. Einem ihrer Klienten erklärt sie: „Maria ist die Pflegerin und ich bin die Frau zum Kuscheln.“
Die gute und schlechte Sexarbeit
Sexualbegleitung ist Teil der Sexarbeit. Oft wird zwischen „guter“ und „schlechter“ Sexarbeit unterschieden. Gut, weil pflegebedürftigen Menschen dabei geholfen wird, sexuell selbstbestimmt zu leben. Schlecht, weil junge Frauen ihre Körper an alte Männer verkaufen. Für die iBUS-Mitarbeiterin Isabella ist klar: „Wenn es zu geschlechtlichen Handlungen kommt, dann ist egal, ob es ein Mensch mit Behinderung ist oder ein Mensch, der einfach nur Diabetes hat.“ Sex bleibt Sex. Die Beratungsstelle iBUS wünscht sich, dass der Kauf von sexuellen Dienstleistungen legalisiert und entkriminalisiert wird, wenn es zwischen zwei Erwachsenen („und da ist egal, wer“) einvernehmlich passiert. Das schafft Sicherheit, Autonomie und sexuelle Selbstbestimmung – Rechte, die jedem Menschen zustehen.
Quellen: