Warum trinksch nix?

Alkohol gehört einfach dazu. Egal wo man ist, „was zum Saufen gibt es immer“. Trotz rückläufigen Alkoholkonsums bei jungen Menschen ist von Akzeptanz noch lange nicht die Rede.

„Wer sufa ka, ka o schaffa“ – dieses Sprichwort hört man in Vorarlberg oft. Wer saufen kann, kann auch arbeiten. Trinken wird nicht nur akzeptiert, sondern erwartet. Besonders auf dem Land ist Alkohol fixer Bestandteil von Festen, Vereinen und Freundschaften. Wer ablehnt, muss mit Verwunderung, Fragen oder Ausgrenzung rechnen.

Florian* ist 20, lebt in einem kleinen Ort in Vorarlberg und trinkt seit wenigen Monaten keinen Alkohol mehr. Nach der Adventzeit, in der er fast täglich auf Weihnachtsmärkten war, hatte er genug. „Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt, wollte gesünder leben und abnehmen.“ Ein vergangener Vorfall belastet ihn außerdem bis heute. Auf einer Familienfeier war er stark betrunken, verlor die Beherrschung und beleidigte seine Schwester vor allen Anwesenden. Das ist ihm sehr unangenehm und er bereut es zutiefst.

Ein weiterer prägender Grund war sein Onkel, der jahrelang alkoholkrank war und in einer Entzugsklinik behandelt werden musste. Florian hat die schwierige Zeit miterlebt und gesehen, wie die Situation in der Familie totgeschwiegen wurde, obwohl sie jeden belastet hat. 

Was isch mit dir, bisch krank?

Als Florian seinen Freunden von seiner Entscheidung erzählte, dachten viele zuerst, er mache einen Witz. Mehrmals musste er erklären, dass er es ernst meint. Die Reaktionen reichten von Verwunderung bis Skepsis. „Viele haben gefragt, ob etwas passiert ist oder ob es mir schlecht geht.“ In seiner Fußballmannschaft verstehen seine Kollegen nicht, warum er nach dem Spiel auf Alkohol verzichtet. „Wenn du mit einer Cola dastehst, wirst du schief angeschaut.“ Auch Treffen mit alten Bekannten wurden seltener, da Alkohol oft einer der Gründe war, sich zu sehen.

Laut einer Erhebung des Sozialministeriums gelten rund 370.000 Menschen in Österreich als alkoholabhängig. Eine Million Österreicher:innen konsumieren riskant, oft ohne, dass es erkannt wird. Übermäßiger Alkoholkonsum ist nach wie vor ein Tabuthema.

pexels.com/Isabella Mendes
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Rückläufiger Alkoholkonsum

Christian Rettenberger ist Experte für Suchtprävention bei SUPRO Maria Ebene. Er beobachtet eine Entwicklung: „Es gibt ein Umdenken. Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst gegen Alkohol – aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen oder weil sie alternative Lebensentwürfe auf Social Media sehen.“ Rettenberger meint, Vereine könnten ebenfalls Teil der Lösung sein, etwa durch ein erweitertes Angebot an alkoholfreien Getränken.

Florian aber spürt vor allem im Fußball großen Druck seit seinem Alkoholverzicht. Mittlerweile studiert er in Wien und erlebt den Alkoholkonsum hier ganz anders. Ihm fällt auf, dass es mehr Alternativen gibt als nur alkoholfreies Bier. Auch seine Studienkolleg:innen zeigen viel mehr Verständnis als seine Freunde, die ihn schon so lange kennen.

Rettenberger sagt, dass Alkoholverzicht nicht sofort soziale Nachteile nach sich ziehen. „Aber was ich schon beobachte, ist, dass Frauen im gebärfähigen Alter, die nichts trinken, sofort gefragt werden, ob sie schwanger sind – das ist bedenklich.“ 

In Vorarlberg wurde 2024 eine Abwasserstudie durchgeführt. Dabei wurden neben anderen Drogen auch Alkohol im Abwasser untersucht. Diese Ergebnisse zeigten, dass es keinen signifikanten Unterschied im Alkoholkonsum zwischen Stadt und Land in Vorarlberg gibt.

pixabay.com/Life-Of-Pix
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Dazugehören

Florian fühlt sich seit seinem Verzicht fitter und schläft besser – aber es gibt auch Momente des Zweifelns. „Manchmal denkt man sich, vielleicht wäre es einfacher, wieder mitzutrinken. Einfach, um nicht erklären zu müssen.“ Gleichzeitig ist er überzeugt, dass sich etwas ändern muss: „Alkoholfreies Bier zu trinken sollte genauso akzeptiert sein wie ein normales.“

*Name geändert