This time for Africa?

Die Fußballbegeisterung in Afrika ist groß, die Probleme für den Sport aber ebenso. Besonders Nachwirkungen der Kolonialzeit sorgen für Herausforderungen.

This time for Africa. So schallte es im Sommer 2010 während der Fußball-WM in Südafrika durch die Stadien. Gute Stimmung, Fans aus allen Ecken der Welt und ein Fußballfest der Extraklasse – der afrikanische Fußball schien endlich auf der Weltbühne angekommen. Der Platz im Rampenlicht der Fußballwelt war allerdings nur von kurzer Dauer.

Dabei gibt es in Afrika ganze 56 unterschiedliche Nationalverbände und mit dem Afrika-Cup ein Turnier, das mehr Tradition hat als die Europameisterschaft. Von Weltstars, wie Samuel Eto’o, Yaya Toure oder George Weah ganz zu schweigen. Was ist also das Problem?

Fußball erfreut sich in Afrika großer Beliebtheit
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Die Geschichte des Fußballs am afrikanischen Kontinent ist auch eine Geschichte des Kolonialismus. Durch englische Seefahrer in die Hafenstädte gebracht, wurde der Sport schnell zu einem Instrument, um die kolonialen Vorstellungen von Gehorsam und Disziplin zu vermitteln. Nach der Dekolonialisierung eignete sich dann die lokale Bevölkerung den Fußball an. So fasst es Kurt Wachter von der VIDC Fairplay-Initiative zusammen, welche sich für Vielfalt und Antidiskriminierung im Sport einsetzt. Ein Ende von kolonialen Kontinuitäten sieht er noch lange nicht.

Zwischen Ausbeutung und Rassismus

Rassismus äußert sich im Fußball auf verschiedenste Arten. Sprechchöre und Affenrufe gegen schwarze Spieler im Stadion, weniger Anerkennung für gleiche Leistung oder mangelnde mediale Berichterstattung – die Liste ist lang. Wachter benennt auch einen „positiven Rassismus“. Damit meint er stereotypische Zuschreibungen an die Leistungsfähigkeit afrikanischer Sportler. Eins der vielen kolonialen Bilder, die laut Wachter die Zeit überdauert haben.

Rassismus in Europa ist das eine, in Afrika selbst steht der Sport aber vor ganz anderen Herausforderungen. „Die Infrastruktur in den meisten Ländern ist schlecht, die Spielergehälter sind schlecht. Auch die Rechte der Spieler, dass sie ihre Gehälter rechtzeitig bekommen“, beschreibt Wachter die Situation „Weil es diesen Fokus Richtung Norden gibt.“ Afrikanische Talente so jung (und billig) wie möglich nach Europa zu bringen – das ist die Aufgabe einer Vielzahl von Fußballschulen. Oft sind diese Spieler später Millionenbeträge wert, die Menschen, die sie als Kind ausgebildet haben, sehen aber keinen einzigen Cent. Talente werden teilweise praktisch gestohlen.

Auch der Red Bull-Konzern, und damit der österreichische Bundesligist RB Salzburg, betrieb von 2006 bis 2013 eine Akademie in Ghana. Die Bilanz liest sich desaströs: Kaum hervorgebrachte Spieler, dafür Vorwürfe von Rassismus und sexueller Gewalt – zu diesem Schluss kam Wachters Kollege Martin Kainz in einer Studie, für die er die Akademie mehrmals besucht hat (Red Bull Ghana – eine Akademie auf verlorenem Boden). Das Projekt wurde einst mit dem Ziel angepriesen, die lokale Entwicklung am Standort und jene von Fußballtalenten zu vereinen. Investitionen in die lokale Infrastruktur blieben jedoch genau so aus wie spätere Fußballprofis. Man habe nicht gewusst, worauf man sich einlässt, meinte Kainz 2017 im Standard. „Naiv kolonialistisch“, nennt Wachter selbst das Projekt.

Während die Situation vor allem in Ländern in West- und Zentralafrika problematisch ist, gibt es in nordafrikanischen Ländern wie Ägypten oder Tunesien volle Stadien und gute Spielergehälter. Die wertvollste Liga in Afrika ist aber die PSL in Südafrika, wo es laut Wachter einen großen schwarzen Consumer Markt und große Teams gibt.

Von Kärnten nach Kapstadt

Einer, der den Fußball in Südafrika hautnah miterlebt hat, ist Roland Putsche. Der Kärntner Fußballer wechselte im Jahr 2016 zum Cape Town City FC, wo er bis 2020 spielte. „Fußball ist dort eine richtige Begeisterung, die zelebrieren das viel intensiver als wir hier in Europa“, berichtet er. Putsche findet, dass das Spiel in Afrika taktisch schlechter, aber viel schneller als in Europa ist.

Hauptgrund für den Wechsel war seine Tätigkeit bei der „Young Bafana Soccer Academy“, wo benachteiligte Kinder aus den Townships Lernbetreuung und Fußballausbildung erhalten. Viele der afrikanischen Kinder bräuchten kaum Techniktraining, so Putsche, da sie in ihrer Freizeit so viel Fußball auf der Straße spielen: „Die haben einen ganz anderen Bezug zu dem Sport.“ Er sieht hinsichtlich der Nachwuchsarbeit im Vergleich zu Europa noch großen Aufholbedarf. Und auch die Schulbildung findet er nicht mit europäischen Standards vergleichbar: „Wenn sie da aufholen wollen, müsste viel mehr dagegen gewirkt werden.“

Lösungsweg Bildung?

Kurt Wachter bemängelt vor allem, dass der Sportunterricht in Afrika zu sehr auf Drill basiert: „Jugendsport hätte Potenzial in der Vermittlung von Skills und Werten.“ Er wünscht sich, dass die einzelnen Länder Sport als Instrument für Entwicklung ernster nehmen.

Die Kluft zwischen Afrika und dem Rest der Fußballwelt zu verkleinern wird nicht einfach sein. Trotzdem ist Wachter für die Zukunft vorsichtig optimistisch: „Es gibt vernünftige Leute in den afrikanischen Ländern, die jetzt sagen: Wir können auf niemanden warten.“ Er sieht einen kreativen und innovativen Kultursektor, der jetzt selbst aktiv wird. Ein Beispiel ist eine Initiative in Ghana, die versucht, Sport als Entwicklungsinstrument in den Stundenplänen zu verankern.

Doch auch die europäische Schulbildung sieht Wachter in der Pflicht. Konkret: Mehr außereuropäische Geschichte vermitteln, um rassistischen Stereotypen ein Ende zu bereiten. Nicht nur im Fußball.