LSD, Psilocybin und MDMA wurden jahrelang als Partydrogen verteufelt. Heute dienen sie als Basis für eine moderne Therapieform, die neue Wege eröffnen könnte.

Stell dir vor, du schluckst eine Tablette und schließt die Augen – Bilder tauchen auf, Erinnerungen, Gefühle. Und irgendwo in dem Chaos siehst du Klarheit und findest Heilung, die du nicht erwartet hättest. Du bist nicht auf einem Trip, sondern begegnest dir selbst.
„Ich habe mich selbst aus der Vogelperspektive gesehen“, erzählt Alexander*. Der 32-jährige Schweizer spricht über seine Erfahrungen mit Drogen zu therapeutischen Zwecken. Bei der Psychedelika-assistierten Therapie (PAT) werden Drogen eingesetzt, um das Bewusstsein zu erweitern. Das soll dabei unterstützen, tieferliegende emotionale Blockaden zu lösen und die Wahrnehmung von sich selbst und der Umwelt zu verändern. Aber wie funktioniert das genau?
Wenn das Gehirn neu kommuniziert
Psychedelische Drogen wirken im Gehirn: Sie docken an bestimmte Serotonin-Rezeptoren an – eine Art „Empfangsstation“ für Glücks- und Stimmungsstoffe. Besonders aktiv werden dabei die 5-HT2A-Rezeptoren, die wichtige Denk- und Wahrnehmungsprozesse fördern. Durch die neuen Verbindungen senden die Nervenzellen neue Signale und das Gehirn beginnt auf ungewöhnliche Weise zu kommunizieren. Das Gehirn wird flexibler und offener für neue Arten der Wahrnehmung. Gedanken, Gefühle und Sinneseindrücke können sich dadurch verändern– Halluzinationen, emotionale Durchbrüche oder ein verändertes Raum-Zeit-Empfinden sind möglich. Genau dieser Effekt wird in der Therapie gezielt genutzt: In einem sicheren, begleiteten Rahmen können Patient*innen belastende Muster durchbrechen, neue Perspektiven entwickeln und emotionale Heilung erfahren.
Revolution in der Therapie
In den USA, Kanada und der Schweiz werden bereits therapeutische Sitzungen mit psychedelischen Substanzen durchgeführt. In Europa ist die Anwendung von Psychedelika noch weniger bekannt. Annalena Cubera, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Universität Wien, beschäftigt sich im Zuge ihres PhD-Programms mit der Signalweitergabe zwischen Nervenzellen und ihrer Auswirkung. In den Wirkungsweisen von Psychedelika erkennt sie Potenzial für die therapeutische Nutzung: „Es gibt vielversprechende Forschungsresultate, die darauf hindeuten, dass Psychedelika hohes therapeutisches Potenzial aufweisen. Die Anwendungsbereiche sind vielseitig und reichen von Behandlungen mentaler Krankheiten bis hin zur unterstützenden Betreuung von Schwerstkranken.“ Im Mittelpunkt der Forschung stehen die therapeutischen Einsatzmöglichkeiten von Psilocybin, MDMA und LSD.

aus „Magic Mushrooms“ eingesetzt. (Credits: Pixabayhttps://pixabay.com/photos/mushroom-fall-forest-mushrooms-7539608/)
Warum ist die Therapieform nicht anerkannt?
Psychedelische Substanzen können positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Ausreichend wissenschaftlich gesichert ist das aber nicht: es gibt Studien, die die Wirkung von Psychedelika anzweifeln und die positiven Erfolge auf den Placeboeffekt zurückführen. Ein weiterer Grund für die Ablehnung von therapeutischem Drogenkonsum liegt in der Vergangenheit : Die Drogenpolitik der 1970er Jahre beeinflusst bis heute die gesellschaftlichen Vorurteile. In den 50er und 60er Jahren waren Psychedelika Gegenstand intensiver psychiatrischer Forschung – mit positiven Ergebnissen. Das änderte sich mit der Hippie-Bewegung und dem Vietnamkrieg. LSD wurde nicht mehr als Medikament gesehen, sondern wurde zum Mittel der Rebellion: „Drop Acid, not Bombs!“ Die Politik – zuerst in den USA, dann gefolgt von Europa – reagierte mit harter Unterdrückung: Psychedelika wurden verboten und Studien gestoppt. Seitdem haftet den Drogen das Etikett „gefährlich“ an – auch im medizinischen Kontext. Substanzen wie LSD, Psilocybin und MDMA sind in vielen Ländern – auch in Österreich – nach wie vor illegale Suchtgifte und ihr Einsatz damit auf klinische Forschungszwecke und mit Ausnahmeregelung beschränkt.
Ein Balanceakt zwischen Risiko und Chance
Was in Österreich kaum möglich ist, kann neue Wege in der Therapie psychischer Erkrankungen eröffnen. Für Alexander waren die vorherigen Behandlungswege ausschlaggebend: Er erklärte, dass ihm die Schulmedizin über Jahre hinweg Antidepressiva verschrieben habe, diese ihn jedoch mehr betäubt als geheilt hätten. Ihm war bewusst, dass bei einer Psychedelika-assistierten Therapie Risiken nicht ausgeschlossen werden können. Obwohl die Einnahme im kontrollierten Setting von speziell ausgebildeten Ärzt:innen als sicher gilt, können Nebenwirkungen auftreten. „Angstzustände und negative Erfahrungen, sogenannte ‚bad trips‘, sind ein Risiko und können zu psychologischen Herausforderungen werden“, betont Cubera. Um diese Erfahrungen zu vermeiden, ist die richtige Durchführungsweise entscheidend. Besonderer Bedeutung kommt der anschließenden Integration zu. Die Phase dient dazu, die Erlebnisse, die unter Drogeneinfluss gemacht wurden, aufzuarbeiten. Unter professioneller Durchführung können Psychedelika-assistierte Therapien einen wertvollen Fortschritt für die Patient:innen bringen. Für Alexander war die Therapie Auslöser für eine positive Entwicklung: „Es war nicht einfach ein Trip, sondern eine Art ‚Reset‘. Ich mache weiterhin Gesprächstherapie, aber mit einem ganz anderen Fundament.“
*Name wurde von der Autorin geändert